Thomas
Mann
Inhalt:
Die Novelle „Mario und der Zauberer – Ein tragisches
Reiseerlebnis“ handelt von einem Ferienaufenthalt im italienischen Ort Torre di
Venere. Der Erzähler verbringt mit seiner Gattin und seinen zwei Kindern von
August bis September den Urlaub im seit kurzem faschistischen Italien und schildert ihn
rückschauend.
Die Familie bekommt zu spüren, dass sie im Ort
nicht willkommen ist. Im Grand-Hotel wird ihr verwehrt auf der Veranda zu essen,
da sie als Fremde angesehen werden. In der Folge bittet der Hoteldirektor den
Erzähler um einen Umzug, da sich eine italienische Fürstin über den
bedeutungslosen Rest eines abklingenden Keuchhustens vom Sohn des Erzählers
beschwert hat. Die Familie beschließt in die Pension Eleonora, die von Signora
Angiolieri betrieben wird, zu ziehen.
Weitere Diskriminierungen der Familie folgen. Am
Strand wäscht die achtjährige Tochter der Familie ihren Badeanzug, wobei sie
zwangsläufig kurzzeitig nackt ist. Dies widerspricht der öffentlichen
Moralvorstellung und verursacht einen Tumult am Strand. Der Familie wird ein
polizeiamtliches Bußgeld auferlegt. Der Erzähler fragt sich zum zweiten Mal,
warum er nicht abreist.
Als der Zauberkünstler Cipolla im Ferienort auftritt,
ist der Sohn begeistert und möchte die Vorstellung sehen. Der Auftritt findet am
Abend statt, und obwohl es deshalb elterliche Bedenken gibt, beugen sich die
Eltern dem Wunsch des Sohnes. Der Cavaliere Cipolla betritt mit erheblicher
Verspätung die Bühne.
Sehr schnell wird dem Erzähler und seiner Gattin
klar, dass Cipolla kein Zauberkünstler, sondern ein Hypnotiseur ist. Einem vorlauten jungen Burschen
befiehlt er „angestrengt überlang“ die Zunge herauszustrecken. Es folgen
arithmetische Kunststücke und Kartentricks. Gefolgt von Kunststücken wie
Gedankenübertragung, die Ausführung bestimmter Handlungen auf Geheiß von Cipolla
und das Auffinden bestimmter Gegenstände von ihm.
In der nachfolgenden Pause erwachen die Kinder aus
ihrem Kurzschlaf. Die Eltern finden nicht die Kraft ihre Kinder zum Gehen
aufzufordern. Der Erzähler gibt hier als Grund für das Bleiben den Reiz des
Merkwürdigen an.
Im zweiten Teil der Veranstaltung wird ein junger
Mensch zur Sitzbank, eine ältere Dame erzählt im Hypnoseschlaf von
Reiseeindrücken aus Indien, ein militärisch wirkender Herr kann den Arm nicht
mehr heben, Frau Angioliere folgt Cipolla im willenlosen Zustand. Junge Menschen
aus dem Publikum beginnen auf seinen Befehl hin zu tanzen und das gesamte
Publikum fällt in den Tanz ein. Die Kinder amüsieren sich in ihrer kindlichen
Unschuld köstlich und der Erzähler drückt nochmaliges Bedauern darüber aus, dass
er mit seiner Familie geblieben ist.
Im Höhepunkt der Veranstaltung befiehlt der
Gaukler Mario zu ihm zu kommen. Mario äußert während des Gesprächs mit Cipolla
Liebeskummer bezüglich Silvestra. In Trance wird ihm suggeriert, sie stünde vor
ihm und er küsst daraufhin Cipolla auf die Wange. Als Mario mit entsetztem Ekel
feststellt in welcher Lage er sich befindet, flüchtet er von der Bühne, dreht
sich im Laufen um und erschießt den Gaukler mit seiner mitgeführten
Kleinwaffe.
Die Familie verlässt die Vorstellung im
losbrechenden Aufruhr.
Das äußerliche Erscheinungsbild des Gauklers
erscheint grotesk und lächerlich. Er ist klein und bucklig mit einem scharf
zerrüttetem Gesicht, Schnurrbärtchen und stechenden Augen. Der Hypnotiseur hat
das klassische Kostüm eines Zauberers mit Zylinder, weißem Schal, Fliege,
Radmantel, weißen Handschuhen und einer Schärpe, die den Adel repräsentieren soll, an. Sein Buckel
bewirkt den Eindruck, dass seine Kleidung falsch am Körper sitzt. Unabdingbares
Instrument für seine Vorstellung sind die Peitsche, der Cognac und die Zigaretten, die die Respektlosigkeit gegenüber
dem Publikum ausdrücken. Es wird insgesamt aber deutlich, dass der Zauberer nur
das einfache Volk demütigt, die gehobenen Schichten jedoch nur mit würdevollen
Experimenten belästigt.
Das innere Erscheinungsbild des Cipolla ist
gekennzeichnet von einer strengen Ernsthaftigkeit und einer absoluten Ablehnung
allen Humoristischen, er ist von übellaunigem Stolz. Er geht offensiv mit seiner
Behinderung um und drückt somit eine gewisse Würde und Selbstgefälligkeit aus.
Cavaliere Cipolla fasziniert als eleganter Rhetoriker und als begnadeter Hypnotiseur mit
einer seltsam abstoßend-anziehenden Aura. Abschließend muss festgehalten werden,
dass er ein Diktator ist, ein Führer, ein Mensch, der die Fäden in der Hand
hält, der es versteht die Massen in seinen Bann zu ziehen.
Der Umstand, dass der Erzähler bis zum Ende
unbekannt bleibt und das Fehlen von privaten Details gibt dem Leser ein Gefühl
der Vertrautheit. Während der Vorstellung hat der Erzähler ein gemischtes Gefühl
aus Angst, Bewunderung und Neugier. Er ist aber auch einer der einzigen im
Publikum, der früh merkt, dass mit der Zaubervorstellung etwas nicht
stimmt.
Gehört zu einer Personengruppe, die sich erst in
die Irre führen lässt aber dann einsieht, dass es falsch ist, was dort getan
wird und schließlich mit aller Macht versucht, gegen die erkannten Missstände
vorzugehen. Zum Schluss fällt ihm die Rolle des tragischen Moments zu, der der
Vorstellung gewaltsam ein Ende bereitet.
Thomas Mann gibt gegen Ende der Novelle den
Menschen in einer Diktatur den Ratschlag, sich notfalls auch mit
drastischen Mitteln ihrem Führer zu widersetzen und sich somit zu
befreien.
Stufen der
Abbildung des Faschismus
Ausgrenzung:
1.
Verbot auf der Terrasse zu
essen
2.
Familie wird wegen
angeblicher Krankheit des Kindes ausgewiesen
3.
Geldstrafe wegen
unmoralischen Verhaltens
Täuschung/Willensbrechung:
1.
Hypnose
(Giovanotto)
2.
„arithmetische Übungen“ und
Kartentricks
3.
Beweis seiner Fähigkeiten
durch weitere „Experimente“ mit dem Publikum
4.
Mann wird zur
Sitzbank
5.
Frau erzählt im
Hypnose-Schlaf von Reiseeindrücken
6.
Mann kann seinen Arm nicht
mehr heben
7.
Frau Angolieri folgt Cippola
im willenlosen Zustand
8.
Publikum
tanzt
9.
Mario küsst
Cipolla
Die Novelle
Denn was ist eine Novelle anders als eine sich ereignete unerhörte Begebenheit.
-- (Goethe, Gespräche mit Eckermann, 29. Jan. 1827)
Eine Novelle (lat.: novus-neu; ital.:
novella-kleine Begebenheit) ist eine kürzere Erzählung in Prosaform. Der Begriff weist auf eine Neuigkeit
hin.
Als Begründer der Novellentradition wird der
Italiener Giovanni Boccaccio mit seinem Decamerone (Zehntagewerk)
gehandelt.
Theodor Storm schrieb, dass die Novelle,
aufgrund ihres Aufbaus, „die Schwester“ des Dramas
sei.