Textgebundene Erörterung

Text: Kurt May in « Büchners Woyzeck »

Stoffsammlung


Fragestellung: Kann Woyzeck den Fatalismus der Geschichte durch seine Liebe überwinden?


Pro

Begründung

Kontra

Begründung

Woyzeck ist zwar ein „kleiner Mann“, verfügt aber über ein starkes Herz.

Die Reaktion des Publikums auf den Charakter ist sehr emotional und so, dass Woyzeck in den Herzen der Zuschauer lebendig bleibt. (Das Argument stützt sich auf textfremde Beobachtungen.)

Woyzeck scheitert tragisch an dem Widerspruch zwischen dem äußeren Elend, in dem er lebt und seinen Empfindungen angesichts dieses Elends, die ihn in den Wahnsinn treiben. (Die Begriffe tragisch und fatalistisch stehen im Widerspruch, da Woyzeck kein „tragischer Held“ ist.)

Der Autor gibt keine Begründung, worin sich die Einseitigkeit seiner Argumentation zeigt.

Zwar zielt Büchners Ästhetik auf das Erwecken von Mitleid bei den Zuschauern, aber dieses soll sich auf die Lebensverhältnisse richten, nicht bloß auf das Schicksal der einzelnen Person: Woyzeck ist ein Antiheld.

Woyzecks Schicksal zeigt die Möglichkeit einer Überwindung des Fatalismus durch das Gefühl.

Auch wenn Woyzeck langsam in den Wahnsinn, ins Verbrechen und in den Tod getrieben wird, erscheint sein Wert als Mensch dadurch gerade um so deutlicher. (May versucht einen „höheren Sinn“ in Woyzecks Schicksal zu legen, was Büchner eindeutig ablehnt.

Der Begriff Überwindung legt nahe, dass Woyzeck bewusst dem Fatalismus trotzt, sich auflehnt, dies ist jedoch nicht der Fall, eher kann man von einer „mechanischen“ Eifersuchtsreaktion sprechen, die auch durch Wahnvorstellungen ausgelöst wird.

Büchners politische und ästhetische Überlegungen gehen dahin, die Verhältnisse naturalistisch darzustellen, gerade um deutlich zu machen, dass der Einzelne diese nicht überwinden kann, erst eine Reaktion der „Masse“ der Bevölkerung könnte dies vielleicht bewirken.

Woyzeck hat Würde.

Seine Armut verdeutlicht den Reichtum seiner inneren Gefühle (aber: Wahnvorstellungen! / Kritik am Idealismus).

Der überwiegende Eindruck im Stück ist die Gleichgültigkeit Woyzecks gegenüber dem, was mit ihm geschieht.

Er wehrt sich nicht und lässt alles mit sich machen, da er offenbar nicht anders kann; seine Würde wird ihm permanent genommen.

Woyzeck verkörpert die schlichte Liebe.

Dies zu verkörpern ist Woyzecks Bestimmung (vgl. Büchners Kritik der Teleologie!)

Woyzeck kann seine Liebe nicht äußern, die Beziehung zu Marie ergab sich aus materiellen Gründen.

Es gibt keine wirkliche Kommunikation zwischen Woyzeck und Marie, ihre Beziehung ist nicht durch romantisch-idealistische Liebe bestimmt.

Woyzecks Sterben weist hin darauf, dass Menschen zu großen Empfindungen fähig sind.

Woyzeck überwindet den Fatalismus, indem er Marie umbringt und selbst in seinem Wahn nicht mehr leben will. (nicht nachvollziehbares Argument: Maries Tod ist sinnlos, Woyzeck ist nicht verantwortlich für sein Handeln, da es das Ergebnis von Misshandlung, Armut und Demütigung ist.)

Woyzeck stirbt entweder elend als Mörder und Selbstmörder oder als Mörder auf dem Schafott.

Es ist kaum vorstellbar, dass Woyzeck neben seinen Wahnvorstellungen zu irgendwelchen großen Gefühlen fähig ist, da es ihm materiell einfach zu schlecht geht.

Durch die Liebe ist der Fatalismus der Geschichte aufgehoben.

Der Mord ist Ausdruck, dass Woyzeck bis zuletzt „alles oder nichts“ fordert, also unbedingt liebt. (Woyzecks Tat ist sinnlos, gerade da sie im Drama unabwendbar erscheint. Darin einen Sinn zu sehen, sie als etwas Positives begreifen, stünde im Gegensatz zu allen Äußerungen Büchners über den Einfluss von den konketen Lebensverhältnissen auf das Schicksal von Menschen).

Die Unmöglichkeit von Liebe bekräftigt gerade den Fatalismus der Geschichte, der vielleicht nur durch eine grundlegende Veränderung der Verhältnisse (Revolution, Menschenrechte, Demokratie) verbessert werden könnte, Büchner lässt dies offen.

Nirgendwo im Stück gibt es eine Stelle, die eine solche Interpretation zulassen würde und auch die meisten anderen Äußerungen Büchner sprechen dagegen, alleine die Tatsache, dass Woyzeck Mitleid erregt könnte dagegen sprechen, aber dieses Mitleid wird gerade auch dadurch ausgelöst, dass dem Zuschauer bewusst wird, dass die Verhältnisse, in denen Woyzeck und Marie leben, gar keine Liebe zulassen.