Barock (um 1600-1720)

 

Nur bestimmte Stoffe und Themen galten im Barock als literaturwürdig

Und wurden immer wieder bearbeitet: das Schicksal christlicher Märtyrer, die Taten antiker und ritterlicher Helden, das Herrscherlob, ländliche Idyllen und Schäferspiele, Frauenpreis und Liebe, die Aufforderung zum Lebensgenuss (Carpe diem) sowie die Ermahnung, des Todes und der Nichtigkeit alles Irdischen zu gedenken (Memento Mori und Vanitas).

 

Die Aufgabe des Poeten bestand darin, diese Inhalte in ein möglichst brillantes, den Kunstverstand des Publikums ansprechendes sprachlich-rhetorisches Gewand zu kleiden. Solch ein Verständnis der Poesie barg die Gefahr die Ausschmückung in Wortspiel, Metaphorik und Rhetorik immer weiter zu steigern. So ist zu einem Teil der barocke „Schwulst“ zu erklären, der uns heute als typisch für die Zeit erscheint.

 

Politische Verfassung Deutschlands: Zerfall des Reiches in verschiedene Fürstentümer, die in der Barockzeit absolutistisch regiert werden

Wirtschaft: Geldwirtschaft und Frühkapitalismus

Militär: Landsknechte (Söldner) mit Feuerwaffen (Dreißigjähriger Krieg 1618-1648)

Religion: Religionsspaltung durch Reformation und Glaubenskriege

Weltbild: kopernikanisch

 

 

 

Wichtige Autoren und Werke

 

Martin Opitz (1597–1639): Buch von der deutschen Poeterey

Andreas Gryphius (1616-1664): Sonette

Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (1622-1676): Der abenteuerliche Simplicissimus Teusch (Roman) (àAuszug im Deutschbuch ab S. 202)

 

 

 

 

 

 

 

 

Andreas Gryphius

 

Thraenen des Vaterlandes/ Anno 1636

 

Wir sind doch nunmehr gantz / ja mehr denn gantz verheeret!

Der frechen Voelker Schaar / die rasende Posaun

Das vom Blutt fette Schwerdt / die donnernde Carthaun /

Hat aller Schweiß / und Fleiß / und Vorrath auffgezehret.

 

Die Tuerme stehn in Glutt / die Kirch ist umgekehret.

Das Rathauß ligt im Grauß / die Starcken sind zerhaun /

Die Jungfern sind geschaend’t / und wo wir hin nur schaun

Ist Feuer / Pest / und Tod / der Hertz und Geist durchfaehret.

 

Hir durch die Schantz und Stadt / rinnt allzeit frisches Blutt.

Dreymal sind schon sechs Jahr / als unser Stroeme Flutt /

Von Leichen fast verstopfft / sich langsam fort gedrungen.

 

Doch schweig ich nun von dem / was aerger als der Tod /

Was grimmer denn die Pest / und Glutt und Hungersnoth /

Das auch der Seelen Schatz / si vilen abgezwungen.

 

Aufgabenstellung zu dem Gedicht

 

1.    Beschreiben Sie, welches Bild vom Krieg in dem Gedicht von Gryphius gezeichnet wird, welche Rolle das lyrische Ich einnimmt und worin es die schlimmsten Folgen des Krieges sieht.

2.    Fertigen Sie eine Beschreibung der Form des Gedichts an.

3.    Übertragen Sie das Gedicht Zeile für Zeile in einen Prosatext in heutigem Deutsch.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1)

 

 

In dem Gedicht „Thraenen des Vaterlandes/ Anno 1636“ von Andreas Gryphius geht es um das brutale Ausmaß und die Problematik des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648), der über drei Jahrzehnte hinweg wütete und unermessliches Leid insbesondere unter der Zivilbevölkerung verursachte.  

Jede einzelne Strophe steigert ihre Beschreibung der Brutalität. Der ersten Strophe kann man somit die Überschrift ,,Mittel des Krieges’’ geben, da hier dem Leser deutlich gemacht wird mit welchen Waffen gekämpft wurde. In dieser Strophe wird die Armut (Z. 4) der Menschen geschildert.

Schon in der zweiten Strophe des Gedichts steigert sich drastisch die Brutalität dieses Krieges. Das lyrische Ich erzählt vom Morden, Vergewaltigen und somit von der ,,Wirkung des Krieges’’ auf die Bevölkerung. Es werden die schlimmsten Ereignisse des Krieges aufgelistet, wie das Feuer, die Pest und der Tod (Z .9). Alles wird zerstört und vor gar nichts halt gemacht (Z. 6ff.).

Nach den ersten beiden Strophen kommt es zu einem Einschnitt, der üblich in der Barockzeit ist. Die dritte Strophe beschreibt die Länge des Krieges (1636 - 3*6 = 1618) und den Opfern, die dieser mit sich führt.

In der Überschrift ,,Tränen des Vaterlandes’’ verbirgt sich eine Metapher, diese verbildlicht ein weinendes Land. Die Beschreibung der Mittel des Krieges, in der ersten Strophe, wird durch zahlreiche Stilmittel verstärkt. Gryphius wendet eine Hyperbel in der ersten Zeile an (ganz; mehr den ganz), diese verstärkt die Situation im Land und das Ausmaß.

Die Waffen werden stilistisch, als auch formal personifiziert, da diese Subjekt des Satzes sind. Es soll verdeutlicht werden, welche Macht Waffen auf den Menschen ausüben und umgekehrt.

Mit der Onopoesie in Zeile 4 (,,Schweiß und Fleiß’’), gibt das lyrische Ich die Armut, die durch den Krieg den Menschen widerfahren ist, wieder. Auch im zweiten Quartett wird die Situation sehr bildlich dargestellt und der Leser befindet sich im Kriegesschauplatz. Die Auswirkungen der Brutalität werden sichtbar. Die Gebäude, ,,Kirch’’ und ,,Türm’’ (Z. 6), stehen für die Sicherheit. Ein Turm ist üblicherweise groß und stabil, doch geht diese Stabilität im Krieg verloren. Auch das Gotteshaus gewährt den Gläubigen keine Zuflucht mehr, da  dieses ,,umgekehret’’ (Z. 6) ist. Der Dichter schreibt in dieser Zeile außerdem den Grund dieses Krieges nieder. Er spielt damit auf den Religionskampf zwischen Protestanten und Katholiken an, der ausschlaggebend für den Ausbruch war. Die Kirch ist umgekehrt könnte man doppeldeutig verstehen. Zum einen ist sie zerstört, zum anderen durch die Reformation in Frage gestellt, und so „umgekehrt“.

,,Das Rathaus’’ (Z. 7) dient für die Ordnung, welche nicht im Krieg vorhanden ist, da auch das zerstört wurde.. Mit der Akkumulation in Zeile 9 (,,Feuer, Pest und Tod’’), wird das Leid verbildlicht und somit die das Mitfühlen des Leser bewirkt. Nun erfolgt der Einschnitt, wie schon oben genannt. Mit den Terzetten wird eine neue Seite, eine noch grausamere, des Krieges gezeigt. Die Alliteration ,, Schanz und Stadt“ (rinnt allzeit frisches Blutt’’) (Z. 11) soll die Aufmerksamkeit auf die noch laufende Schlacht und Opfer lenken. Hinter der Feststellung, wie lang der Krieg schon andauert (Z. 12), versteckt sich eine Frage, nämlich wie lange noch dieser anhalten soll. Durch diese indirekte Frage wirkt das lyrische Ich schon sehr verzweifelt und man stellt sich keine weitere Steigerung der Ereignisse vor. Jedoch wird diese Vermutung widerlegt. 

In Zeile 13 zeigt sich durch eine erneute Hyperbel, ,,von Leichen fast verstopft’’, die Anzahl der Opfer in den 18 Jahren. Nun denkt man wirklich, dass dies nicht mehr überstiegen werden kann. Aber auch diesmal täuscht man sich als Leser.

Durch die zwei Terzette wird erklärt, was den Menschen in dem 30-jährigen Krieg geraubt wurde. Die Alliteration ,,Seelen Schatz’’ weist auf das schlimmste Ereignis hin. Denn erst jetzt wird dem Leser gezeigt, dass nicht das Feuer, der Hunger, gar die Pest das schlimmste war (Z. 16), sondern der Verlust des Glaubens. In der Barockzeit war der Glauben sehr wichtig. Ihnen wurde mit dem Raub des Glaubens, in Folge des langen Krieges, der letzte Halt genommen und somit die Würde und Hoffnung. Unschuldige versündigen sich. Opfer stumpfen ab. Hass, Zorn und Verzeiflung fressen die Menschen auf

 

Das lyrische- Ich legt seine Eindrücke dar und hebt dabei die Grausamkeiten und die verheerende Wirkung auf Körper und Seele des Menschen besonders hervor.

Man kann davon ausgehen, dass das lyrische Ich den Krieg miterlebt, dies erkennt man durch Wörter wie ,,wir’’ (Z. 1), ,,ich’’ (Z.15).

 

 

 

 

 

2)

 

Das Gedicht "Thraenen des Vaterlandes/ Anno 1636" von Andreas Gryphius ist in vier Strophen

gegliedert. Bei den ersten beiden handelt es sich um Quartette mit jeweils

vier Versen, bei den letzteren um Terzette mit jeweils drei Versen.

 

Es ist ein Sonett mit dem typischen Reimschema abba, abba

(umschließender Reim).

Man spricht, in Bezug auf das Metrum, von einem Alexandriner, da das

Gedicht im sechshebigen Jambus geschrieben ist, mit einer Zäsur nach

der dritten Hebung.

Immer der erste Vers in den Quartetten und der letzte Vers in allen Strophen besitzen eine weibliche Kadenz, während die übrigen eine männliche haben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3)

 

Tränen des Vaterlandes

 

Jetzt sind wir ganz / ja mehr als ganz zerstört!

Das Heer der frechen Völker / die rasende Posaune

Das vom Blut schwere Schwert / die donnernde Carthaun

Hat jedem seinen Schweiß / Fleiß und Vorrat aufgebraucht.

 

Die Türme stehen in Glut / Die Kirche liegt in Trümmern.

Das Rathaus ist nur noch Staub / Die Starken sind tot /

Die Jungfrauen wurden vergewaltigt / und wo wir hinsehen

Ist Feuer / Pest / und Tod/ der Körper und Seele durchfährt.

 

Hier durch den Wehrbau der Stadt / fließt ständig frisches Blut

Dreimal sind es jetzt schon sechs Jahre / und unsere Flüsse

Von Leichen fast verstopft / fließen langsam voran

 

Doch schweig ich nun von dem / was schlimmer als der Tod /

Was schrecklicher als die Pest / und Glut / und Hungernot /

Das auch die Seele / so vielen wurde geraubt