| |
Die Brücke - ein Kultfilm und die
Wirklichkeit
Interview mit Gregor Dorfmeister
Der Kultfilm "Die Brücke" erzählt
von sieben Jungen, die bei Kriegsende 1945 in der Nähe einer
bayrischen Kleinstadt eine Brücke gegen die heranrückenden
amerikanischen Truppen verteidigen. Die ZDF-Autoren Susanne Stenner
und Thomas Müller sprachen mit Gregor Dorfmeister, dem Autor der
Romanvorlage: Er wurde als 16-jähriger Hitlerjunge ins Gefecht um
die Tölzer Isarbrücke geschickt - und überlebte als einziger.
24.11.2002 |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
History
Mythen, Rätsel
und Legenden
nächste Sendung:
14.08.05 23:30 Uhr
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Noch Kind - und
schon Soldat. Gefangener der US-Armee, 1945. |
|
|
|
|
|
Unter dem Pseudonym
Manfred Gregor schrieb Gregor Dorfmeister 1958 den Roman "Die Brücke",
der 1959 von Bernhard Wicki verfilmt wurde. Vielfach ausgezeichnet wurde
das Werk bald zum Kultfilm. Er erzählt von sieben Jungen, die bei
Kriegsende 1945 in der Nähe einer bayrischen Kleinstadt eine Brücke
gegen die heranrückenden amerikanischen Truppen verteidigen - ein
erschütterndes Antikriegs-Epos über das sinnlose Sterben 18-jähriger
Schüler.
History sprach mit Gregor Dorfmeister über die realen Begebenheiten, die
dem Film zugrunde liegen. Bei Kriegsende schickte das "Dritte Reich"
Scharen von Jugendlichen im so genannten Volkssturm gegen die
vorrückenden Alliierten in den Kampf. In der Nähe von Bad Tölz wurde
Dorfmeister mit einer Gruppe von Hitlerjungen zur Verteidigung von
Brücken abkommandiert. Anders als im Film waren die Jugendlichen erst
16. |
|
|
|
|
|
Im Interview berichtet
Dorfmeister über den Einsatz an der Isarbrücke in Bad Tölz, den er als
einziger überlebte, über seine Mitgliedschaft in der Hitlerjugend und
den militärischen Drill in der SS-Junkerschule in Bad Tölz. |
|
|
|
|
|
|
|
|
»Ich sah zwei
Burschen tot auf der Brücke liegen, in SS-Uniform. Dem einen war der
Stahlhelm übers Gesicht gerutscht, der andere lag auf dem Rücken,
die Augen weit offen, als ob er die Welt nicht verstünde« |
|
|
|
|
ZDF: Herr
Dorfmeister, was hat Sie dazu bewogen, das Buch "Die Brücke" zu
schreiben? Wie Sie im Vor- und Nachwort andeuten, gab es dafür einen
konkreten Anlass.
Dorfmeister: Am Morgen des 2. Mai 1945 - ich war wieder zu Hause
angelangt in der Nacht - ging ich in die Stadt, weil ich sehen wollte,
wie mein Tölz ausschaut nach dem Einmarsch der Amerikaner. Es war ein
schöner Tag, ein schöner Morgen, weil nochmal ein Wintereinbruch erfolgt
war. Ich ging zur Isar-Brücke hinunter, wo ich meine zwei Kameraden
verlassen hatte und sah zwei Burschen tot auf der Brücke liegen, in
SS-Uniform. Dem einen war der Stahlhelm übers Gesicht gerutscht, der
andere lag auf dem Rücken, die Augen weit offen, als ob er die Welt
nicht verstünde. In ihm habe ich meinen Freund Knut erkannt.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
»Da spuckte die
Frau plötzlich auf die beiden Toten« |
|
|
|
|
Und wie ich wirklich
erschüttert und todtraurig dieses Bild sehe, kommt eine ältere Frau aus
der Marktstrasse auf die Isar-Brücke. Am Brückengeländer lehnte ein
amerikanischer GI, mit Karabiner umgehängt, Zigarette rauchend, lässig -
wie sie halt waren. Und wie die Frau auf Höhe des GI war, spuckte sie
plötzlich auf die beiden Toten. In den seit 1945 vergangenen Jahren hat
sich dieses eine Bild förmlich eingebrannt in mir. Es hat mich
eigentlich nie mehr losgelassen. Es war für mich der Anlass, das Buch zu
schreiben... Mir ging es auch darum, den Erwachsenen die Frage zu
stellen: 'Was habt ihr eigentlich von uns erwartet - nach allem, was ihr
uns gelehrt hattet?' Ich wollte den Überlebenden und noch mehr den Toten
gerecht werden. |
|
|
|
|
|
ZDF: Was haben
Sie empfunden, als diese Frau, die ja eine Erwachsene war, auf die Toten
spuckte? War es das Gefühl, ausverkauft worden zu sein? |
|
|
|
|
|
Dorfmeister:
Verraten zu werden - das Gefühl war spontan da. Und ich war völlig
überrascht. Natürlich habe ich auch versucht, die Motive dieser Frau zu
ergründen. Ich stellte mir vor, dass sie sozusagen einen Knicks vor dem
Amerikaner machen wollte mit dieser Geste. Persönlich konnte sie gegen
die beiden Burschen nichts haben, sie konnte sie ja gar nicht kennen.
Möglicherweise war es der Umstand, dass sie SS-Uniformen trugen. Die
habe ich auch getragen, es ist uns ja gar nichts anderes übriggeblieben.
Man hat uns eingezogen zum Volkssturm und hat uns diese Uniformen
angezogen. Da gab's kein großes Fragen in dieser Zeit. Natürlich bin ich
oft der Frage nach unserer Motivation begegnet. Ein cooler Teenager von
heute sagt natürlich: 'Warum wart ihr so blöd und habt das mitgemacht?'
Ich kann nur antworten: Gott sei Dank können Sie diese Frage heute
stellen. Wir hätten sie damals nicht stellen können. |
|
|
|
|
|
ZDF: Sie waren
damals zum Volkssturm eingezogen worden. Wie kam es genau zu Ihrem
Kriegseinsatz? |
|
|
|
|
|
|
|
|
»Wir wurden zu
Panzer-vernichtungs-kommandos aufgestellt, ausgestattet mit
Infanteriewaffen und Panzerfäusten« |
|
|
|
|
Dorfmeister: Als
ich von einem genehmigten Ausgang, den ich erhalten hatte, um meinen im
Reservelazarett liegenden schwer verwundeten Bruder zu besuchen,
zurückkam, erlebte ich auf dem Kasernengeviert ein absolutes Chaos,
Aufbruchstimmung. Teile der Truppen sollten in Richtung Osten abfahren,
andere gefechtsbereite Abteilungen wurden zusammengestellt, um letzte
Verteidigungsmaßnahmen im Isar-Winkel zu treffen. Weil ich natürlich
suchend umherschaute, wurde ich gefragt, wo ich hingehöre und ich sagte
'Tölzer Volkssturm'. Per Fingerzeig machte man mir klar, wo ich mich
anschließen sollte. Das war eine Gruppe von Burschen, von denen ich nur
einen einzigen kannte, weil er in der Ausbildung in unserer Gruppe war.
Ein Junge mit Vornamen Knut, den Nachnamen habe ich nie erfahren.
|
|
|
|
|
|
Mir wurde klar, dass
hier sogenannte Panzervernichtungskommandos aufgestellt wurden. Das
waren in der Regel acht, neun Mann, ausgestattet mit Infanteriewaffen
und mit Panzerfäusten. Einige der Gruppen hatten auch leichte
Maschinengewehre. Das verlief etwa so, wie man es im Film 'Die Brücke'
sehen kann. Wir haben noch eiserne Rationen bekommen, zwei
Blutwurstbüchsen und eine Art Zwieback, von uns als Hundekuchen
bezeichnet. Dann fuhren wir mit Lastwagen los. An der Loisach wurden wir
vor einer kleinen Brücke abgeladen. Da hatten offenbar andere
Volkssturmmänner, die schlauer waren als wir und das Feld verlassen
hatten, provisorische Schützenlöcher ausgehoben. Darin haben wir
Stellung bezogen. |
|
|
|
|
|
ZDF: Als Sie an
der Brücke ankamen, hatten Sie da auch das Gefühl: Schaut mal, die Alten
machen sich aus dem Staub, aber wir... Empfanden Sie da auch ein
bisschen Stolz? |
|
|
|
|
|
Dorfmeister:
Stolz hat für uns eine große Rolle gespielt. Wir waren stolz darauf,
dass man uns eine ernste Aufgabe zugeteilt hatte. Auch Gehorsam spielte
in unserer gesamten Erziehung eine große Rolle. Einer der meistgehörten
Sätze in meinen Jugendjahren war - von allen möglichen Seiten her: 'Wer
einst befehlen will, muss erst gehorchen lernen.' Disziplin, was ja auch
eine Tugend sein kann, war für uns eine absolute Selbstverständlichkeit.
Und das vielleicht Entscheidendste war das Bewusstsein, einer
Gemeinschaft anzugehören und für diese Gemeinschaft mit verantwortlich
zu sein. Das heißt: In dem Moment, wenn ich hier rausspringe, lasse ich
die anderen im Stich. Das war vielleicht der schwerwiegendste Grund für
unsere - ich sage in Anführungszeichen -'Blödheit'. |
|
|
|
|
|
ZDF: In dem
Moment, als Sie von dem Laster sprangen, gab es da auch eine gewisse
Gruppendynamik? Man selber empfindet vielleicht Angst, denkt: Eigentlich
würde ich gerne weg hier. Aber man will sich keine Blöße geben vor den
anderen? |
|
|
|
|
|
Dorfmeister: Als
wir von dem Laster stiegen und dann unsere Munitionskisten
runterhievten, da war unsere Lust auf das ganz große Abenteuer - so
möchte ich sagen - schon ein bisschen verflogen, weil wir die Brücke als
völlig unbedeutend erkannten. Auch als 16-Jährigen war uns klar, dass
der Krieg ohnedies verloren war, und dass an dieser Brücke nichts mehr
zu retten war. Um so überraschender war es dann, als tatsächlich ein
amerikanischer Panzer auftauchte. Wir hatten damit eigentlich gar nicht
gerechnet. |
|
|
|
|
|
ZDF: Sie haben
ja überlegt, an welcher Seite der Brücke Sie Stellung beziehen sollten.
Wenn Sie das heute vom Strategischen, Militärischen her betrachten - war
das sinnvoll? |
|
|
|
|
|
|
|
|
»Es war völlig
idiotisch, wie wir Stellung bezogen haben. Es war
Räuber-und-Gendarm-Spielen. « |
|
|
|
|
Dorfmeister: Vom
Taktischen her war die Art und Weise, wie wir Stellung bezogen, völlig
idiotisch. Es war Räuber-und-Gendarm-Spielen. Geschulte Militärs hätten
die Brücke deutlich vor dem Brückenkopf im Westen verteidigt. Für uns
spielte eine Rolle, dass das Wetter alles andere als freundlich war an
diesem Tag. Das war so ein Nieselregen und es begann zu schneien, immer
wieder. Der Fluss wirkte beim Hinschauen zwar nicht reißend, aber so
tief, dass uns beim Durchqueren das Wasser mit Sicherheit über den Kopf
gegangen wäre. Das hat uns am meisten dazu bewogen, uns auf der Ostseite
zu verschanzen, und auch einige Löcher, die dort schon vorhanden waren.
|
|
|
|
|
|
ZDF: Für die
Amerikaner waren Sie natürlich auch eine Überraschung... |
|
|
|
|
|
Dorfmeister:
Absolut. Die hatten mit Sicherheit überhaupt nicht mit uns gerechnet.
|
|
|