Textgebundene Erörterung zu Wolfgang Krögers Deutung der Rinparabel

4.3.09

Tobias König

In Boccaccios Ringparabel war der Ring nur schön und sehr kostbar. Bei Lessing besitzt der Ring zudem noch eine geheimnisvolle Kraft, die nur jener Mensch benutzen könne, dessen Herz voller Zuversicht ist. Entscheidend ist also nicht der Besitz des Ringes, sondern das Handeln des Trägers. Das ist der einzige Punkt indem sich die Vorlage und Lessings Ringparabel unterscheiden. Hätte Lessing dieses Detail nicht beigefügt hätte die Ringparabel wahrscheinlich bei Saladin keine so durchschlagende Wirkung gehabt, denn wenn der Ring nur kostbar und schön wäre, hätte ja jeder der Brüder den besten Ring. Jeder Ring wäre gleich viel wert gewesen und keiner hätte dem anderen den Ring geneidet. Lediglich der Punkt wer der Herr des Hauses ist bleibt noch als Konflikt erhalten. Durch Lessings Beifügung wird die ganze Geschichte noch ein bisschen brisanter(S.78)

Weiterhin wird gesagt, dass wenn man die Wahrheit einer Religion nur mit theoretischer Vernunft entscheiden will man wieder bei der Hybris ankommt. Denn die Wahrheit einer Religion mit Vernunft zu beweisen ist schlicht und ergreifend vermessen. Wenn man den Weg der Geschichte gehen will so wird man feststellen, dass es nicht möglich ist die wahre Religion anhand geschichtlicher Hinweise zu erfahren, denn jede Offenbarungsreligion hat einen „geschichtlichen Beweis". Die Begründung dafür ist, dass man die Auferstehung Jesu nicht mit Vernunft verstanden werden kann, denn ihre Bedeutung erschließt sich aus geschichtlichen Fakten. Man muss glauben und nicht versuchen zu beweisen. Man kann sie mit Zuversicht auffassen, wenngleich man doch bedenken soll, dass Glaubenswahrheiten nicht bewiesen werden können. Die Frage nach der wahren Religion kommt während des Dialoges zwischen Nathan und Saladin hervor(S.76).

Doch noch eine andere, eine erschreckende Möglichkeit überschattet das Geschehen des Dramas, denn es könnte durchaus sein, dass keine der Religionen wahr ist und dann wären plötzlich alle Anhänger der Offenbarungsreligionen „betrogene Betrüger". Sie sind betrogen, weil sie von anderen zu dieser Religion gebracht worden sind und auf der anderen Seite andere von ihrer

Glaubenseinstellung überzeugen wollten, was sie selbst zu Betrügern macht. Dass keine Religion wahr sein könnte ist tatsächlich eine Gefahr, die für uns heute jedoch eher unwirklich geworden ist, obwohl das Bewusstsein des Glaubens an Wert verloren hat. Ein weiteres Argument gegen Nathans Vorstellung der „wahren Religion" ist der religiöse Fanatismus, der im Drama durch die Kreuzzüge verdeutlicht wird, jedoch auch Saladins Haltung gegenüber Templern symbolisiert, die er normalerweise alle töten lässt. Diese und andere Grausamkeiten tragen nicht gerade dazu bei, sich von Nathans

Religionsverständnis überzeugen zu lassen. Ein Beispiel für diese Art von Grausamkeiten ist die Haltung des Patriarchen, der sich partout nicht davon abbringen lassen will den Juden zu bestrafen(4,2: „Der Jude wird verbrannt".S. 102).

Nathan ist sich der Grenze der Vernunft bewusst, da diese keine endgültigen Urteile über die Geschichte Fällen könne. Demnach kann es also nicht sein, dass Vernunft die entscheidende Eigenschaft ist, sondern dass die Liebe das Maß aller Dinge ist, nach dem jeder Mensch sein Handeln richten soll. Die Liebe ist der einzige Weg für eine fast konfliktlose Verständigung zwischen den Religionen und allen Menschen auf der Welt. Ein Beispiel hierfür: „Die tausend Jahre deines Richters sind noch nicht um!",S.83). Die Nachsicht und die Toleranz, die Nathan allen seinen Gesprächspartnern zuteil werden lässt, ist Ausdruck dieser Haltung.

Es ist die Verantwortung eines jeden Menschen, die Religion zu verwirklichen. Denn wenn es nicht ihnen gelingt friedlich und tolerant zusammenzuleben, dann kann man an ihrem Handeln leicht zu feststellen, dass keiner der Ringe echt ist. Für diese Ansicht gibt es zwei gute Beispiele. Zum einen die Stelle als Saladin erkennt , dass seine Frage nach der wahren Religion Hybris ist(S.83) und zum anderen als der Tempelherr erkennt, dass es nicht Rechas christliche Geburt, sondern Nathans liebevolle Erziehung ist, die sie zu einem liebenswerten Menschen gemacht hat(S. 129). Wenn man sich dieses Drama ansieht ist man dazu aufgefordert der humanen Haltung, die Nathan vorlebt, nachzueifern, denn dies ist die einzige Möglichkeit das Christentum als wahre Religion zu enttarnen. Was durch theoretische Vernunft nicht möglich ist muss durch die Toleranz und die Liebe des Menschen bewiesen werden und nicht durch sture, fanatische Behauptungen. Denn so ist es letztlich in der Realität nicht von Belang welche nun die richtige Religion ist. Laut Kröger sind alle Menschen zu einem Wettstreit aufgefordert, die Wahrheit ihres jeweiligen Ringes durch Liebe und Wohltätigkeit zu erweisen. Dies wird vor allem in der Schlussszene deutlich, als fast alle Personen anwesend sind und es sich zeigt, dass sie alle zu einer Familie gehören. Und plötzlich sieht man, dass diese Familie aus Juden, Christen und Moslems besteht. Dies soll stellvertretend für die ganze Welt stehen. Mit dieser Szene soll bewiesen werden, dass sowohl die verschiedenen Religionen als auch die theologischen Meinungen nebeneinander bestehen können.

Als Fazit ist zu sagen, dass Lessing durch die Ringparabel die theoretische Vernunft, deren Grenzen die Ringparabel deutlich macht, angreift und diese kritisiert. Allein vernünftig zu denken reicht nicht, entscheidend ist das Handeln der Menschen. Die Menschheit hat sich immer schon entwickelt und wird sich auch weiterhin entwickeln, doch ob ins Positive oder ins Negative wird sich zeigen. Wichtige Eckpfeiler für eine positive Entwicklung der Menschheit sind Toleranz und Humanität. Denn ohne diese zwei Eigenschaften wird es zu keiner guten Entwicklung führen, denn durch Intoleranz und Fanatismus erreicht man den Punkt der Unvernunft ohne es wirklich zu bemerken, denn man redet sich ein, dass dies vernünftig sei. Dennoch ist es nur scheinbare Vernunft was Intoleranz und Fanatismus hervorrufen, das wiederum eine Entwicklung ins Negative zur Folge hat.