Thomas Koebner: Die Lösung als "Verständigung"

 

 

In dem Text "Die Lösung als Verständigung", welcher 1987 im Reclam Verlag in Stuttgart in "Interpretationen. Lessings Dramen" erschien, stellt der Autor, Thomas Koebner, die Hypothese auf, wonach das Drama "Nathan der Weise" von Schiller ein Drama der Verständigung sei. Damit meint er, dass sich Gegensätze von Gruppen im Verlauf des Dramas auflösen oder zumindest verringert werden, was auf eine Verständigung zurückzuführen ist. Der Wahrheitsgehalt seiner Hypothese wird nun in der folgenden Erörterung analysiert und bewertet.

 

Thomas Koebner beschreibt zunächst die schwierige Grundsituation, die in dem Drama gegeben ist. Die "starren Fronten" (Zeile 26) zwischen den Religionen und die Konflikte der einzelnen Personen untereinander, welche diesen Religionen zugeordnet sind. Koebner schreibt: "Die unblutige Lösung im Nathan nimmt sich wie ein Wunder aus in Anbetracht der Konflikte, die am Horizont der Handlung sichtbar werden" (Zeile 1 f). Dies bewerkstelligt seiner Meinung nach Schiller, indem er die Figuren langsam abwandelt, sodass sie sich einander annähern bzw. sich miteinander verständigen. Dafür nennt er einige Beispiele aus dem Drama (vgl. Zeile 10ff). Die Gesamtheit an Vorurteilen ist laut Koebner zwar nicht entfernbar, aber er ist der Meinung , das s in Einzelfällen auch heftig vertretene Meinungen abgeändert werden können. Am Ende beschreibt Koebner noch , wie die Verständigung in drei Schritten vonstattengehen kann (vgl. Zeile 29 ff).

 

Die erste Aussage von Thomas Koebner zur Verständigung in Lessings ã Nathan der Weise Ò beinhaltet, dass das letztendliche Happy End nur entstehen kann, weil sich in den einzelnen Szenen die Personen einander annähern, indem sie einsichtiger werden und sich ihre Grundeinstellungen langsam verändern (vgl. Zeile 6 ff). Thomas Koebner nennt den Tempelherr als gutes Beispiel. Anhand des Dramas lässt sich dessen Wandlung gut aufzeigen. Zu Anfang des Dramas rettet der Tempelherr die Tochter von Nathan aus einem Feuer. Dies tut er unter Einsatz seines Lebens, weil sein Ehrgefühl es ihm gebietet. Trotz dieser noblen Einstellung bereut er fast seine Tat, als er erfährt , das s das gerettete Mädchen eine Jüdin ist. In dem Drama lässt sich das sehr gut ab Zeile 1208 aufzeigen: "Wenn zu danken: -sparts...Sehr gern ergriff ich die Gelegenheit, Es für ein andres Leben in die Schanze Zu schlagen: für ein andres - wenn´s auch nur Das Leben einer Jüdin wäre." Hierbei macht er seine Abscheu auf die jüdische Religion deutlich. Hierfür könnte man auch noch viele weitere Beispiele anführen, aber dieses exemplarische Beispiel für seine Ansichten/vorgefasste Meinung en genügt völlig, um seinen Standpunkt am Anfang des Dramas klar zu machen. Im Verlauf des Dramas ändert er allerdings sein V v erhalten und seine vorgefasste Meinung. Beispielsweise gegenüber Nathan verhält er sich im späteren Verlauf des Dramas komplett verändert und bringt ihm sogar starke Zuneigung entgegen. Das lässt sich wieder exemplarisch an folgender Textstelle deutlich machen, nachdem der Tempelherr überraschend Nathan umarmt: "Mein Vater! (...) Stoßt mich Nicht von Euch! "(Zeile 2177 ff). Diese hier gezeigte Veränderung der Ansichten beziehungsweise Verständigung untereinander deckt sich mit den Aussagen von Thomas Koebner ( vgl. Zeile 12 ff). Weiterhin bezeichnet Koebner den Weltzustand zwar als nicht heilbar, aber dennoch lassen sich an den Fronten zwischen den Religionen und Meinungsverschiedenheiten immer wieder derartige Verständigungen erkennen, da diese Front letztendlich immer nur aus zwischen Einzelpersonen besteht (vgl. Zeile 25 ff). Diese These lässt sich durch die bekannte Geschichte verifizieren. In dieser Einzelgeschichte ist es zur Annäherung über die religiösen Konflikte hinaus gekommen, allerdings wissen wir das letztendlich noch mehr Kreuzzüge durchgeführt wurden und im weiteren Verlauf der Geschichte immer wieder Gräueltaten im Namen der Religion verübt wurden, obwohl es in bei ã N a a than der Weise Ò gezeigt wurde, dass sich diese Konflikte in der Regel nicht als unlösbar erweisen. Betrachtet man die Ringparabel bei Nathan der Weise hat man zum E e inen ein weiteres Beispiel für die Verständigung innerhalb des Dramas und zum A a nderen wird die letzte Aussage von Thomas Koebner daran deutlich gemacht. Koebner behauptet die Verständigung kommt durch drei verschiedene Punkte zustande, welche alle erfüllt sein müssen. "(a) sich begreiflich machen" (Zeile 31) wird in der Ringparabel dadurch umgesetzt, dass Nathan eine Geschichte erzählt und keine genaue Erklärung versucht. Dem Zuhörer, Saladin in diesem Fall, muss von selbst die Aussage von Nathan begreiflich gemacht werden. "(b) U u m Verständnis besorgt sein und werben" (Zeile 31 f) bedeutet hier die wahre Botschaft soll vermittelt werden und nicht nur die offensichtliche Bildebene, welche in einer Parabel natürlich vorkommen muss. Die Bildebene besteht in diesem Fall aus den 3 nicht zu unterscheidenden Ringen, während diese für die 3 Religionen stehen. Auch "(c) Einverständnis herstellen" (Zeile 32) kommt hier zum Tragen, denn Saladin gibt Nathan letztendlich recht: " Bei dem Lebendigen! Der Mann hat Recht. Ich muss verstummen" (Zeile 1991 f). Saladin hat an dieser Stelle seine Meinung ebenso geändert, wie der Tempelherr in der bereits weiter oben angeführten Interpretation.