Friedrich Schiller: Die Räuber – Franz Machtanspruch                       

Zweiter Akt, erste Szene,

S. 33 – 34, Hamburger Lesehefte Verlag (48. Heft)

 

 

Friedrich Schillers Drama „Die Räuber“ wurde im Jahre 1781 veröffentlicht. Das während der Zeit des Sturm und Drang entstandene Schauspiel ist in fünf Akte gegliedert, welche jeweils in mehrere Szenen unterteilt sind.

Es handelt von der Konkurrenz zweier Brüder, Karl und Franz von Moor. Der hässliche Franz ist der jüngere Sohn, ca. 20 – 30 Jahre alt, und hat sich zeitlebens ungeliebt gefühlt, im Gegensatz zu seinem Bruder Karl, der sich zum Studium in Leipzig aufhält. Franz, der Eifersüchtige, versucht durch Intrigen seinen Bruder auszuspielen, um an das Erbe seines Vaters, des Grafen Maximilian von Moor, heranzukommen.

 

Bei dem vorliegenden Textauszug handelt es sich um einen Monolog von Franz von Moor, dem negativen Helden in Schillers Schauspiel „Die Räuber“. Franz fühlt sich als Zweitgeborener im Hinblick auf die Erbfolge rechtlich zurückgesetzt. Zudem fühlt sich Franz aufgrund der Hässlichkeit seines Äußeren von der Natur benachteiligt. Darüber hinaus konnte er nie die innige Zuneigung seines Vaters erringen. Auf Grund dessen hat sich Franz von allen Bindungen des Gefühls, des Rechts und der Moral losgesagt, um mit Gewalt zu erzwingen, was das Schicksal ihm versagt hat. Sein Ziel ist die alleinige Verfügung über die Güter und Besitzungen des Grafenhauses von Moor, und was ihm als Hindernis auf diesem Weg erscheint, ist er entschlossen, rücksichtslos zu beseitigen.

Am Anfang des Dramas ist es ihm bereits gelungen, Karl, seinen Bruder, und seinen Vater durch eine üble Intrige zu entzweien, der zufolge Karl sich vom Vater verstoßen und enterbt wähnt. Im Laufe des Dramas entwickelt Franz eine Strategie, die den Vater psychisch vernichten soll.

Insofern kommt dem hier zu betrachtenden Monolog die Funktion eines erregenden Moments zu, denn die konsequente Umsetzung seiner Entscheidung beschleunigt, den Fortgang des dramatischen Geschehens. Hermann, ein Edelmann von zweifelhaftem Charakter, wird zum Werkzeug seiner nächsten Intrige, mit deren Hilfe der Vater aus dem Wege geräumt werden soll.

 

Der Monolog ist in vier Abschnitte gegliedert. Diese Abschnitte entsprechen auch im wesentlichen der inneren Struktur des Textes. Der Monolog beginnt mit der entsetzten Feststellung, dass der schwache Vater aufgrund der Stabilität seines Wohlbefindens, Franz noch lange am Antritt des Erbes hindern werde. Daraufhin ist Franz ganz außer sich. Er kann es nicht fassen, dass die Natur solch Wunder bewirken kann.

Auf Grund dessen ist Franz bereit für den Tod seines Vaters zu sorgen, ohne sich jedoch die Hände schmutzig zu machen : „ Ich möchte ihn nicht gern getötet, aber abgelebt.“ (S.33, Z.12). Da er Gewalt meiden will, sieht er in der Erkenntnis der Psychologie und Medizin eine Lösung. „ Den Körper vom Geist aus zu verderben“ (Z.23) ist sein Entschluss . Diese krankhafte Herausforderung bezeichnet er in Zeile 27 als „ ein Originalwerk!“. Er bezeichnet sich auch auf Grund dessen als ein Erfinder, wenn alles funktioniert, wie er es sich vorgestellt hat, weil er es als eine Art „Kunst“ (Z.28) sieht, welche es dann letztlich verdient hat, berühmt zu werden.

Im folgenden sind seine Überlegungen darauf gerichtet, diejenige „Gattung von Empfindnissen“ (S.34, Z.5) zu finden, welche am stärksten und wirksamsten die Psyche seines Vaters zerstören könnte. Franz möchte die Gesundheit seines Vaters schädigen, um den gewünschten Tod zu erzwingen. Er denkt an Zorn (Z.7), Sorge (Z.8), Gram (Z.9), Furcht (Z.10). Diese Ideen allein, scheinen ihm jedoch nicht geeignet zu sein. Aber mit Hilfe von Schreck (Z.13), Jammer (Z.16), Reue (Z.17), Selbstverklagung (Z.20) und der Verzweiflung (Z.27) sieht er das perfekte Mittel, um das Leben des Vaters zu beenden, „ Streich auf Streich, Sturm auf Sturm“ (Z.25). Er scheint sich sehr sicher bei der ganzen Sache zu sein. Zudem ist er auch fest davon überzeugt, dass sein teuflischer Plan nicht entdeckt werden könne, und triumphiert (Z.27). Dieser Monolog von Franz von Moor wurde gut durchdacht und Schritt für Schritt aufgebaut. Am Anfang des Monologs steht die Feststellung der Tatsachen, dementsprechend dann auch der Entschluss, etwas gegen die Tatsachen zu finden und es auf keinen Fall so stehen zu lassen, wie es ist. Im dritten Abschnitt von Seite 33, Zeile 19 - S. 34, Zeile 3 wird die hinterlistige Methode benannt, die im ganzen Monolog als wichtigster Punkt erscheint und im vierten Abschnitt (S.34, Z. 4 – 32) erfährt man mit welchen Mitteln sein Plan umgesetzt werden soll.

Die Spannung während des Monologs steigert sich kontinuierlich immer mehr bis gegen Ende, wo sich dann auch der Höhepunkt des ganzen Monologs befindet.

 

Franz von Moor ist ein kaltblütiger Mann. Er besitzt keine Selbstbeherrschung und präsentiert sich meist von der starken Seite, nämlich des Redens, welche er jedoch aber nicht besitzt. In ihm brodelt viel Hass, da seiner Meinung nach das Schicksal ihm gegenüber ungerecht sei. Er sieht nur ein Ziel vor seinen Augen. Die Macht über alles zu haben. Franz möchte auch einmal im Mittelpunkt stehen und über andere bestimmen können. Er neigt sehr zum Aufmerksamkeitssyndrom. So spiegelt sich auch die sprachliche Gestaltung in ihm.

Franz ist sehr ungeduldig und verärgert, angesichts der stabilen Gesundheit des Vaters, was man direkt am Anfang des Monologs feststellen kann. Als eine „Ewigkeit“ (S.33, Z.2) erscheint es ihm, in Beziehung einer Hyperbel. Sein menschenverachtender Hass dem „Alten“ (Z.2) gegenüber wird stark deutlich, da er ihn auch mit einem „ Klumpen Fleisch“ (Z.4) vergleicht. Zudem vergleicht er den Alten Moor mit einem „ unterirdische(r)n Zauberhund“ (Z.6). Im zweiten Abschnitt wird durch die vielen rhetorischen Fragen sehr deutlich, dass der junge Franz auf das Geld und die Macht seines Vaters sehr wohl angewiesen ist : „ Müssen denn aber meine Entwürfe sich unter das eiserne Joch des Mechanismus beugen?“ und „ Soll sich mein hochfliegender Geist an den Schneckengang der Materie ketten lassen?“ (Z.7-9). Die Antworten auf diese Fragen kann er sich selbst denken. Dies wiederum spiegelt seine schwache Person. Die Methode, die er sich im dritten Abschnitt überlegt hatte, beruhigt ihn zunächst, wie an der gleichmäßigen Syntax ersichtlich wird. Die Formulierung dieses Gedankens scheint ihn aber erregt zu haben und bringt ihn aus der Fassung: davon zeugen eingeschobene elliptische Ausrufe (Z. 26 f). Er muss sich selbst zur Ordnung rufen: „ Sinne nach, Moor!“ (Z.28) und mit nahezu überzeugender Selbstgewissheit lobt er den Fortschritt medizinischer Experimente (Z.31). Eine weitere rhetorische Frage leitet zum folgenden Absatz über, nämlich: „ Wer sollte nicht auch hier seine Flügel verursachen?“ (S.34, Z.2). Die Antwort steht fest: er, Franz Moor. Außerdem stellt er sich noch echte Fragen, nämlich nach der richtigen Methode, die den Vater zerrütten soll und er gibt, übersinnlich abwägend selbst die Antworten, die Metaphern aus dem Tierreich, mit welchen er die Arten charakterisiert: „Wolf“ (Z.8), „Wurm“ (Z.9), „Natter“ (Z.9). Zwar veranschaulichen diese die Grausamkeiten, doch sie reichen ihm nicht aus, den Vater zu zerstören. An seinen Fragen, z.B. „ Ist das Arsenal des Todes so bald erschöpft?“ (Z.11), scheint er überrascht zu sein. Franz ist momentan ratlos. Seine aufeinanderfolgenden, halb fragenden, zum Teil empörten Ausrufe (Z.13) belegen dies. Die Personifikationen sprechen eine außergewöhnliche Sprache: der Schreck als „Gigant“ (Z.14) mit „eiskalter Umarmung“ (Z.15), Jammer und Reue als „höllische Eumeniden“ (Z.17) bzw. als „grabende Schlangen“ (Z.17), die „heulende Selbstverklagung“ (Z.19). Ebenso werden die Hoffnungsbilder einer heilen Vergangenheit und einer ersehnten glücklichen Zukunft als „wohltätige Grazien“ (Z.22) bezeichnet. Am Ende des Monologs hat er die todbringenden Mittel  gefunden, seinen Triumph ruft er hinaus (Z.27-28). Zudem bewertet er seinen Plan in Zeile 29 als „ zuverlässig und sicher“.

 

Im Allgemeinen ist zu entnehmen, dass Franz von Moor sich mit einer gewählten Ausdrucksweise bedient. Seine Sprache ist der gehobenen Stilebene zuzuordnen. Mit den verschiedenen Wissensbereichen, wie Medizin und Psychologie beweist er Vertrautheit.

 

Anschließend lässt sich sagen, dass Franz ein rationales Denken hat, wobei er Religion und Aberglaube ablehnt. Durch diese Ablehnung hat sich ein Fehlen moralischer Werte entwickelt. Das, gepaart mit seinem rationalen Denken, erzeugt einen Charakter, der anhand von streng logischen, aber auch skrupellosen Strategien versucht, sein Ziel zu erreichen: Mehr Macht, mehr Wohlstand, mehr als Karl.

So zeigt Franz, wohin ein rationales Denken und ein fehlen von religiösen Vorstellungen nach Schillers Ansicht führen kann.