Lessing: Die Ringparabel



 

Im Zentrum von Lessings 1779 veröffentlichtemn Dramas „Nathan der Weise“ steht die „Ringparabel“. Sie handelt von einem Gleichnis, das den Sultan überzeugen soll, dass keine der drei großen monotheistischen Religionen den anderen gegenüber Vorzüge besitzt und sie ruft dazu auf, einzu einem, durch Religion angestifteten, humanitären durch Humanität bestimmtes Leben zu führen, da alle Religionen letztlich darin übereinstimmen, dass ihr Ziel die Erziehung zur Menschlichkeit ist aufrufen.

Die Ringparabel wird von Nathan erzählt, nachdem ihmn der Sultan die Frage stellte welches die wahre Religion sei. Um diese Frage zu beantworten, erzählt Nathan das „Geschichtchen“, welches die Ringparabel darstellt.

In dem Gleichnis besitzt ein Mann einen Ring. Dieser macht seinen Besitzer „vor Gott und den Menschen angenehm“, sofern man ihn in der Gewissheit seiner Wirkung trägt. Der Mann vererbte den Ring seinem geliebtesten Sohn und setzte fest, dass diese Art der Vererbung einzuhalten sei. Schließlich steht ein Vater vor dem Problem, dass er drei Söhne hatte, die er gleichsam liebt. Er verspricht also jedem der Söhne den Ring und lässt Duplikate des Ringes herstellen, - dabei bleibt ungeklärt, ob sich der echte Ring unter ihnen befindet - die er an die Söhne verteilt. Um zu klären, wer den echten Ring besitzt, treten die Söhne vor einen Richter, der es entscheiden soll. Dieser meint der echte Ring sei verschollen, doch er gibt ihnen den Rat, den echten Ring zu bestimmen, indem sie so leben, als besäßen sie den echten Ring, also als wären sie durch dessen Kraftso, dass sie jeweils „vor Gott und den Menschen angenehm“ seien und träte diese Eigenschaft auch noch bei ihren Nachfahren auf, so ließe sich von einem weiseren Mann dann die Frage um den echten Ring klären.

Die Ringparabel ist im reimlosen Blankvers verfasst,  außerdem befinden sich unzählige Enjambements im Text, diese sind jedoch funktionslos und sind einzig der Prosanähe des Werkes geschuldet. Den Blankvers wählt Lessing aufgrund seiner Natürlichkeit.

Die Ringparabel wird in „Nathan der Weise“ bereits durch die zentrale Stellung im Werk hervorgehoben. Sie beginnt ab Vers 1911 und damit etwa ab der Hälfte der insgesamt 3850 Verse. Auch dramaturgisch steht sie im mittleren, dem dritten, Akt, der die Peripetie darstellt, also den Wendepunkt eines Dramas, der die Kernaussage enthält. Gemeinsam mit ihrer Vorgeschichte, die mit der vierten Szene des dritten Aktes beginnt, stellt sie die vier mittleren Szenen des Aktes dar.

Die Parabel selbst stellt ein Stück im Stück dar, das heißt, man kann sie selbst als Nacherzählung eines  Dramas ansehen. So beginnt sie mit der Exposition, die sich der Kraft des Ringes widmet (V. 1911 – V. 1928). Die Steigerung bildet der Vater, der alle Söhne gleich liebt und Duplikate des Ringes anfertigen lässt (V. 1929 – 1955). Darauf folgt der Wendepunkt, den die Unmöglichkeit der Unterscheidung der Ringe bildet (V. 1956 – 1992). In diesem Wendepunkt findet sich auch die Kernaussage des Gleichnissess Dramas im Drama, nämlich dass die Ringe „[fast] so unerweislich, als uns itzt / – der rechte Glaube [ist]“(V. 1963f.), dass also die Religionen nicht unterscheidbar sind., Zzudem wechselt Lessing hier von der Bildebene in die Sachebene und gibt somit die Interpretation der Parabel vor. Dem Wendepunkt folgt das retardierende Moment, hier dargestellt durch die Ratlosigkeit des Richters, an den sich die Söhne wenden (V. 1993- V. 2028). Die Lösung des Konfliktes und somit den letzten Teil des klassischen Dramas gibt der Richter vor, die Söhne sollen sich so verhalten als sei ihr jeweiliger Ring der richtige Ring (V. 2019 – V. 2052).

Die Parabel ist neben dem formalen Mittelpunkt des Dramas, auch der inhaltliche Mittelpunkt, denn der Konflikt ist analog zum Konflikt des gesamten Dramas. Die Ausgangsfrage welcher Ring, also welche Religion die richtige sei, ist nicht zu beantworten, denn die Religionen sind bewusst nicht zu unterscheiden, so hat in der Parabel der Vater drei Ringe geschaffen, weil er „Die Tyrannei des einen Ringes nicht länger / In seinem Haus dulden [wollte]“ (V. 2035ff.). Sieht man den „Vater“ nun als Gott an, so hat er also gewollt, dass sich die drei monotheistischen Religionen nicht unterscheiden, somit ist es an keinem Menschen einen Unterschied zwischen diesen zu finden. Dies entspricht exakt der Aufgabe, die der Sultan Nathan aufbürdet, und deren Unlösbarkeit Nathan durch die Ringparabel verdeutlicht. Nach der Ringparabel fragt Nathan den Sultan, ob er im Stande sei die Religionen zu unterscheiden (V. 2054ff.), dieser kann dies jedoch nur verneinen (V. 2057f.). Nathan führte ihn also zu der Erkenntnis, dass die Religionen nicht unterscheidbar sind, er belehrterzog ihn damit genau so wie der Richter die drei Brüder in Nathans Geschichte belehrteerzog.

Lessing will mit seiner Ringparabel zeigenlehren, dass man ein guter Mensch nicht durch die Annahme der richtigen Religion wird, denn so ist diese ist ja so nicht auszumachen, sondern durch ein Leben in „Sanftmut, mit herzlicher Verträglichkeit, [und] mit Wohltun“ (V.2045f.) und auch in „innigster Ergebenheit in Gott“ (V. 2047), dabei ist es jedoch nicht essenziell welcher spezifische Gott, da alle Religionen einer Urreligion entspringen, die verkörpert wird durch den „wahren“ Ausgangsring, der „die geheime Kraft [hat], vor Gott / Und den Menschen angenehm zu machen“ (V. 1916), jedoch nur wenn man ihn „in dieser Zuversicht [trägt]“ (V. 1917), es also egal ist welcher Religion, die sich von dieser Urreligion ableiten, man angehört, denn das Handeln nach den Maßstäben des Ringes, also den Idealen der Urreligion, die er durch den Richter aufzählen lässt, führt schließlich zu der Kraft des Ringes.

Außerdem verübermittelt er durch Nathan den Gedanken des Deismus, also dass Gott die Welt zwar erschuf und mit Naturgesetzen ausstattete, aber seitdem nicht mehr aktiv in das Weltgeschehen eingreift. Dieser Gedanke findet sich nun in der Figur des Vaters wieder, der zwar seine Söhne mit den Ringen ausstattet, doch daraufhin verstirbt und nicht mehr an der Handlung beteiligt ist.

Zweifelsfrei lässt sich dieDie Ringparabel in die Epoche der ist ein zentraler Text der deutschen Aufklärung einordnen. Die Ideen, die in der Ringparabel geäußert werden, sind eindeutig aufklärerisch geprägt. So wäre da zum einen das vorurteilsfreie Denken, geäußert als „[unbestochene] Von Vorurteilen [freie] Liebe“ (V. 2041f.), mit diesem solle „jeder um die Wette [streben], / Die Kraft des Steins in seinem Ring [also seiner Religion] an Tag / Zu legen“ (V. 2043ff.), dabei jedoch nicht beschränkt den anderen Religionen gegenüber zu sein, denn „liebt sich [jeder] selber nur / Am meisten“ (V. 2022f.), so sind „alle drei / Betrogene Betrüger“ (V.2023f.), sich also jede Religion nur selbst akzeptiert und den anderen ihre Existenzberechtigung abspricht nur „Betrug“ ist. LessingEr spricht sich also für Toleranz sowie Verständnis unter den Religionen und eine religionsübergreifende Humanität aus. Diese stellt sich in der Ringparabel konkret als humanitäres Handeln dar, in der Ringparabel in dem Zweck die Echtheit des eigenen Rings zu beweisen, in übertragenem Sinn also, die eigene Religion zu würdigen. Damit greift Lessinger bereits dem kategorischen Imperativ Kants vor, der fordert, man solleHandeln nach dereiner Maxime handeln, von der man durch die du zugleich wollen könneannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.. verlangt. Bei Lessing ist solch ein Handeln zwar durch die Religion motiviert, ansonsten kommen die geforderten Handlungsmaximen  Sanftmut,  herzliche Verträglichkeit und Wohltun Handlungsmaximen gleich, die man durch den kategorischen Imperativ legitimiert. Die Kernaussage der Ringparabel lässt sich auch auf einen Aphorismus von Georg Christoph Lichtenberg, einem weiteren Aufklärer beziehen. Dieser sagte: „Man muss die Menschen nicht nach ihren Meinungen beurteilen, sondern nach dem, was diese Meinungen aus ihnen machen.“. Dies deckt sich mit der Idee, dass es keine richtige Religion gibt und dass man folglich Menschen nicht an ihrer Religion bewerten soll. Die Bewertungskriterien eines Menschen liefern die genannten Handlungsmaximen, so kann ein Mensch gleich welcher Religion, also welche Meinung er hat, wie ein guter Mensch handeln, womöglich kann er dieses Handeln sogar aus den Prinzipien seiner Religion ziehen, also aus dem, was diese Meinungaus  aus ihm macht, was er ist.

Die Ringparabel verfolgt also schlussendlich den Zweck, den Menschen von seiner religiösen Engstirnigkeit zu lösen und ihn – im Sinne der Aufklärung – Toleranz gegenüber anderen Religionen und menschliches Handeln , dzu lehren. Das mag as er zwar inmit seiner Religion begründen sein mag, doch das sichgilt Menschlichkeit über die Religionsgrenzen hinweg.  setzen sollte, zu lehren. Das Verständnis der ParabelSie soll ihn von einem vorurteilsbehafteten Denken, vor allem anderen Religionen gegenüber, hinweg führen und zu einem vorurteilsfreien, vernünftigenrationalen Denken leiten.